BLICKWINKEL

256 days, 16 countries and 84.211 km later I’m finally back in Germany.
Thank you, world! You’re amazing!

So lautete mein Resümee, als ich 2017 von einer großen Weltreise zurück nach Deutschland kam. „Thank you, world! You’re amazing!“, schrieb ich damals – ein Ausdruck meiner tiefen Dankbarkeit und Begeisterung für all die Begegnungen und Erfahrungen, die ich unterwegs machen durfte.

Heute, wenn ich zurückblicke, wirkt diese Aussage fast naiv. Aktuelle Schlagzeilen sind geprägt von Krisen, Umweltkatastrophen, Terroranschlägen und politischen Spannungen. Rechtspopulistische Parteien in Europa gewinnen zunehmend an Einfluss, während die mögliche Wiederwahl Donald Trumps in den USA die politischen Gräben weiter vertiefen könnte. Klimawandel-Leugner blockieren dringend notwendige Maßnahmen, und die Zahl der Hassverbrechen steigt, angetrieben durch Hetze und populistische Parolen. Es ist leicht, sich von diesen Entwicklungen überwältigen zu lassen. Hinzu kommt der sogenannte „Negativity Bias“ – unsere Tendenz, negative Informationen stärker zu gewichten als positive. Dieser Mechanismus führt dazu, dass wir uns von schlechten Nachrichten besonders beeinflussen lassen und anfällig für ‚einfache‘ Lösungen werden, wie sie oft von populistischen Bewegungen angeboten werden.

Aber genau dieses Denken führt doch dazu, dass Frieden und der Glaube an eine gerechte(re) Welt immer weiter in die Ferne rücken. Meine Reiseerlebnisse haben mir damals wie heute gezeigt, dass die Art, wie ich die Welt erlebe, stark davon abhängt, wie ich ihr begegne. Was bewirken Hass und Hetze in diesem Kontext? Sie säen Misstrauen, spalten die Gesellschaft und schaffen Unfrieden. Das Gegenteil ist nötig:

Offenheit, Begegnung und Empathie.

Begegnungen, die verbinden

Einer der bewegendsten und unvergesslichsten Momente meiner Reise im Jahr 2016 war eine Begegnung auf der kleinen Insel Gili Air in Indonesien. Dort lud mich ein junger Indonesier ein, seine Familie im Osten der Insel Lombok zu besuchen. Im Haus gab es kein fließendes Wasser, gekocht wurde über dem Feuer, und die Dusche bestand aus einer Schüssel kaltem Wasser. Die Warmherzigkeit und Gastfreundschaft, die ich dort erleben durfte, lassen sich kaum in Worte fassen. Für die wenigen Tage, die ich dort war, war ich ein Teil der Familie. Wir lebten zusammen, wir aßen und spielten. Wir fuhren gemeinsam an den Strand (und ins Krankenhaus, als ich auf einen Seeigel trat). Ich besuchte sogar eine Schule vor Ort und gab mehrere Unterrichtsstunden auf Englisch, s. Fotos.

Diese Begegnung hat mir so deutlich gezeigt, dass Menschen – unabhängig von ihrer Lebensweise oder ihrem materiellen Besitz – unglaublich großzügig und offen sein können. Es spielt dabei auch keine Rolle, ob sprachliche Barrieren bestehen oder kulturelle Hintergründe völlig fremd sind. Wenn Vertrauen, Respekt und Neugier da sind, spielen diese Unterschiede kaum eine Rolle. Die gemeinsame menschliche Erfahrung, das Bedürfnis nach Verbindung und Verständnis, überwindet all das.

Tourist oder Reisender?
Ein Unterschied, der zählt

Es gibt zahlreiche Cartoons, Reiseblogs und Artikel, die auf humorvolle oder vereinfachte Weise den Unterschied zwischen Tourist*innen und Reisenden herausstellen. Oft wird der Tourist als jemand dargestellt, der hastig von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten hetzt, immer auf der Suche nach dem perfekten Foto oder nächsten Highlight. Diese Darstellungen mögen überzeichnet und fast karikaturartig wirken, doch sie enthalten viel Wahrheit. Sie verdeutlichen eine grundlegende Haltung:

Tourist*innen sammeln eher flüchtige Erlebnisse, während sich Reisende Zeit nehmen – unabhängig davon, ob sie für einige Tage, Wochen oder gar Jahre verreisen. Sie lassen sich auf die Menschen und Kulturen ein und versuchen, ihre Umgebung wirklich zu verstehen. Es geht nicht darum, möglichst viele Orte auf einer Liste abzuhaken, sondern darum, bewusst zu erleben, authentische Begegnungen zu haben und respektvoll mit fremden Kulturen umzugehen.

Doch für viele Menschen sieht die Realität ganz anders aus. Sie werden eben nicht mit Offenheit und Neugier empfangen, sondern mit Misstrauen und Vorurteilen konfrontiert.

Woher kommt dieses Misstrauen?
Woher kommt der Hass?

Vom Narrativ einer feindlichen Welt

Warum wird die Welt in vielen Teilen als so feindlich wahrgenommen, wenn man als Reisender doch das Gegenteil erleben kann? Ein großer Teil dieses Hasses wird gezielt geschürt – durch Populismus, Hetze und einfache Parolen, die in politischen Debatten und über die Medien verbreitet werden. Solche Bewegungen bieten scheinbar ‚einfache Lösungen‘ für komplexe Probleme, indem sie Minderheiten oder ‚Fremde‘ zu Sündenböcken machen.

Dieser Hass wird durch Falschinformationen und gezielte Unwahrheiten, die vor allem über soziale Medien verbreitet werden, weiter angeheizt. Das Suchen nach Sündenböcken – ob Geflüchtete, religiöse Gruppen oder politische Institutionen – spaltet die Gesellschaft und verstärkt das Misstrauen. So entsteht das Narrativ einer feindlichen Welt, in der „die anderen“ für alle Missstände verantwortlich gemacht werden.

Doch als Reisender habe ich eine andere Realität erlebt. In den Begegnungen mit Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen und Ländern zeigte sich immer wieder: Die Welt ist kein feindlicher Ort. Meine persönlichen Erfahrungen stehen im klaren Widerspruch zu diesem verzerrten Bild, das von Hass und Misstrauen geprägt ist.

Natürlich bedeutet das nicht, dass Kriege, Konflikte oder Krisen nicht existieren. Diese entstehen oft durch das Handeln einzelner Menschen oder Gruppen und spiegeln keineswegs die Meinung aller wider. Ich möchte meine Reiseerfahrungen nicht durch eine rosarote Brille sehen oder die Realität ausblenden. Gerade auf Reisen braucht es Vorsicht und ein besonderes Verständnis für die kulturellen Gegebenheiten des Landes, in das man reist. Ausgiebige Grundrecherche ist unerlässlich, um respektvoll und offen unterwegs zu sein.

Im Gegenteil, wenn man mit Offenheit und Respekt auf andere zugeht und bereit ist, Vorurteile zu hinterfragen, erlebt man eine Welt voller Wärme und Gastfreundschaft. Der Hass, der in den Medien und politischen Debatten geschürt wird, spiegelt nicht die ganze Wirklichkeit wider – er wird oft bewusst verwendet, um Ängste und Unsicherheiten zu verstärken.

Hoffnung in der Begegnung

Trotz all der Herausforderungen glaube ich, dass Reisen eine Möglichkeit sein kann, diesen Hass zu überwinden – nicht durch das Vermeiden von Schwierigkeiten, sondern durch das bewusste Aufsuchen von Begegnungen, die uns die Menschlichkeit des „Anderen“ nahebringen. Indem wir auf Augenhöhe miteinander sprechen und ein Stück weit unsere eigenen Vorurteile ablegen, eröffnen wir den Raum für Verständnis und Verbundenheit.

Die Welt bleibt ein freundlicher Ort – aber nur,
wenn wir bereit sind, sie auch so zu sehen.

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